Wolfgang Ischinger: "Merz hat bei Trump eine große Chance"
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Ischinger: "Merz hat bei Trump eine große Chance"

Ischinger: "Merz hat bei Trump eine große Chance"

Er unterhält sehr gute Beziehungen in die USA: Gerade erst diskutierte Wolfgang Ischinger mit Vizepräsident Vance. Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz meint: Die aktuelle Krise mit den USA sei für Kanzler Merz auch eine Chance.

Wolfgang Ischinger hat als junger Diplomat noch den Streit zwischen Kanzler Helmut Schmidt und der Regierung von US-Präsident Jimmy Carter erlebt. Ischinger war deutscher Botschafter in Washington, als Kanzler Gerhard Schröder und Präsident George W. Bush sich wegen des Irak-Kriegs gegenseitig Lügen vorwarfen. Doch so tief wie heute sei die Krise noch nie gewesen: "Es ist vor allen Dingen eine Vertrauenskrise", so der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz.

Ischinger: Merz sollte so schnell wie möglich zu Trump reisen

Für Friedrich Merz sei das aber auch eine Chance, meint der 79-jährige Ischinger. Nach den üblichen Antrittsreisen nach Paris und Warschau müsse das nächste große Ziel für den neuen Bundeskanzler klar sein: "Er sollte aus meiner Sicht so schnell wie nur irgend möglich, sobald es das Weiße Haus ihm anbietet, nach Washington kommen."

Die Trump-Regierung sei offen, meint Ischinger: "Mein Eindruck ist, dass Friedrich Merz durchaus eine große Chance hat. Warum? Weil er anders als manche anderen europäischen Staatsmänner oder Staatsfrauen ohne Gepäck reist. Es gibt keine frühere Auseinandersetzung zwischen einem Donald Trump und einem Friedrich Merz. Die sind unbelastet."

Ischinger: Merz erwartet keine Feindseligkeit

Er glaube nicht, dass Merz in Washington Feindseligkeit entgegenschlägt, sagt Ischinger: "Im Gegenteil: Die brauchen ein handlungsfähiges Deutschland genauso dringend wie wir selbst."

Damit meint Ischinger nicht nur den aktuellen Zollstreit zwischen USA und Europäischer Union, sondern auch den Ukraine-Krieg und die Nato. Ischinger glaubt: Trump wende sich nicht wie von vielen befürchtet von Europa ab. "Fakt ist: Es ist zur Stunde noch kein einziger amerikanischer Soldat aus Deutschland oder dem europäischen Umfeld abgezogen worden. Die amerikanischen Nuklearwaffen, die in Europa zu unserer Sicherheit stationiert sind, bei uns und bei etlichen Partnern, sind alle noch da."

Vertrauensbildende Maßnahme: Nato-Oberbefehl bleibt in US-Hand

Dazu kommt das Ergebnis einer Debatte, ob der Nato-Oberbefehlshaber – bisher traditionell ein US-General – künftig ein Europäer sein sollte, damit Europa auch hier mehr Verantwortung übernimmt. Die Trump-Administration hat vor kurzem entschieden: Der Nato-Oberbefehl bleibt amerikanisch.

"Das halte ich für eine bei uns bisher unterschätzte wichtige vertrauensbildende Maßnahme der USA", sagt Ischinger und betont: "Die Nato steht. Ich habe nach all den Gesprächen, die ich jetzt geführt habe überhaupt keinen Anlass zu der Sorge, die wir in der ersten Trump-Administration ja zu Recht hatten, dass der sich möglicherweise aus der Nato hinweg begeben möchte."

Auch Vance zeigte sich zuletzt versöhnlicher

Auch US-Vizepräsident J. D. Vance argumentiert zur Zeit in diese Richtung. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar hatte Vance noch eine Skandalrede gehalten und den Europäern vorgeworfen, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Erst vor kurzem hatte Vance – im Konzert mit US-Außenminister Marco Rubio – erneut für die AfD geworben. Als Vance jetzt in Washington mit Ischinger diskutierte, bemühte er sich, versöhnlicher zu klingen. Er sei fest davon überzeugt, "dass die USA und Europa im selben Team spielen", betonte Vance.

Vance sprach bei einer Podiumsdiskussion in Washington, die die Münchner Sicherheitskonferenz organisiert hatte. Ischinger versuchte als Moderator, die Diskussion weg von der AfD-Debatte auf die Außenpolitik zu lenken, etwa auf den Ukraine-Krieg. Auch hier bemühte sich Vance um Gemeinsamkeiten mit den europäischen Nato-Partnern. Russland stelle im Moment eine Reihe von Forderungen. "Wir denken, dass sie zu viel verlangen", sagte der Vizepräsident.

Ischinger: USA sehen wohl auch Notwendigkeit, mehr Druck auf Russland auszuüben

Ischinger sieht sich durch die Diskussion bestätigt. Er glaubt – bei allen Differenzen mit der Trump-Administration in Einzelfragen – weiter fest an die transatlantische Partnerschaft. Nur selten rutscht Ischinger im Gespräch ein zweifelndes "hoffentlich täusche ich mich nicht" heraus.

Gibt es, bei all den früheren pro-russischen Aussagen Trumps nicht doch die Gefahr, dass die USA die Ukraine am Ende im Stich lassen? Ischingers Antwort: "Ich sehe eher, dass man in Washington zu der Erkenntnis gelangt, wir müssen mit der Nato und durch die Nato den Druck auf Russland nicht nur aufrecht erhalten, sondern möglicherweise durchaus auch nochmal verstärken, um zu der angestrebten Friedenslösung zu kommen."

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