KI wird unser Leben verändern - mehr als wir uns vorstellen kommen. Ob zum Guten oder Schlechten hängt nicht von der Technologie selbst ab, sondern davon, wer sie wie einsetzt. Kilian Vieth-Ditlmann von der gemeinnützigen NGO AlgorithmWatch fordert eine Regulierung. Biometrische Gesichtserkennung müsse veboten werden, sagt der Experte im Gespräch mit BR24 für "Possoch klärt".
BR24: Müssen wir vor KI Angst haben?
Vieth-Ditlmann: Die Technologie als solche ist nicht das Problem, sondern das, wie sie eingesetzt wird. Und wer sie einsetzt und wer die Macht über sie hat. Es geht also überhaupt nicht um Herrschaft von KI über uns, sondern um Herrschaft durch KI von anderen, weil sich eben abzeichnet, dass die einflussreichen Silicon Valley Milliardäre eben diese Technologie kontrollieren und wir noch nicht so ganz, und das ist eigentlich das Problem.
BR24: Wer müsste dann diejenigen kontrollieren, die die KI kontrollieren? Die USA tun wenig in der Richtung. Müsste Europa eine stärkere Rolle spielen?
"Wir müssen rote Linien einziehen"
Vieth-Ditlmann: Ja, Europa kann und muss diese Technologie regulieren und auch fördern, in dem Sinne, wie sie sie einsetzen möchte. Also, wenn wir bestimmte Potenziale sehen, dann sollten wir natürlich auch KI fördern.
Wir sollten aber auch klar den Anspruch erheben, das zu regulieren und zu steuern und eben auch bestimmte rote Linien einzuziehen. Das ist ja mit der KI-Verordnung der Europäischen Union auch schon geschehen.
BR24: Wenn Europa jetzt reguliert und alle anderen aber nicht, besteht dann nicht die Gefahr, dass wir einfach abgehängt werden - und es interessiert dann auch die anderen gar nicht, was wir da eigentlich uns an Regeln ausdenken?
Vieth-Ditlmann: Das wird vor allem von der Wirtschaftslobby immer wieder gesagt, dass man da seinen eigenen Standort schwächt. Und das Argument wird in allen Bereichen gebracht. Aber wenn wir sagen, bestimmte Einsatzzwecke der KI sind zum Beispiel bei uns nicht erlaubt, dann ist das völlig legitim und dann sind wir nicht abgehängt, sondern dann schützen wir unsere demokratischen Werte.
Kilian Vieth-Ditlmann von Alogrithm Watch
Im Video: Jobs, Wohlstand, Zukunft: Was kostet uns KI wirklich? Possoch klärt!
AlgorithmWatch will Biometrische Gesichtserkennung verbieten
BR24: Was zum Beispiel wären das für Einsatzzwecke? Wo würde Ihre Organisation sagen, das wollen wir nicht, oder das müsste besser kontrolliert werden?
Vieth-Ditlmann: Wir bei AlgorithmWatch setzen uns zum Beispiel für ein umfassendes Verbot von biometrischer Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ein. Das ist eine KI-Technologie, die dafür sorgen würde, dass wir alle als wandelnde QR-Codes durch die Gegend laufen, überall nachvollziehbar und überwachbar werden.
Das wird in anderen Ländern schon sehr, sehr stark vorangetrieben. Und wir sagen, nein, sowas sollte bei uns auf keinen Fall eingeführt und klar verboten werden, weil das einfach an den demokratischen Grundfesten rüttelt und in einer demokratischen Gesellschaft nichts verloren hat.
"KI verbraucht viel Energie, Wasser und Rohstoffe"
BR24: Übernimmt KI einmal die Weltherrschaft?
Vieth-Ditlmann: AlgortihmWatch ist eine Organisation, die sich mit den tatsächlichen Schäden, den tatsächlichen Gefahren, die wir heute schon sehen, auseinandersetzt, und nicht mit hypothetischen Szenarien. Was könnte sein, wenn irgendwann eine Supermaschine kommt, die uns alle unterjocht? Das sind Gedankenspiele, die man sich machen kann. Aber für uns ist viel, viel dringender und viel, viel wichtiger, auf die Probleme zu gucken, die wir hier und heute haben.
BR24: Welche Probleme wären das?
Vieth-Ditlmann: Ein ganz wichtiger Bereich davon ist der enorme Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen, die viele der großen KI-Systeme der großen Sprachmodelle verursachen. Da haben wir tatsächlich die konkrete Gefahr, dass wir eben nicht so schnell aus den fossilen Energien rauskommen, weil wir so viele Datencenter aufbauen und so viele Rechenzentren, die alle Strom brauchen, seltene Erden verbrauchen, auch sehr viel Wasser. Das sind konkrete Gefahren, um die wir uns kümmern sollten und nicht die theoretische Idee, ob irgendwann mal ein KI-System da irgendwie übermächtig werden würde.
BR24: Vielen Dank für das Gespräch.
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