War schon (fast) auf dem Kangchendzönga: Die lange Unterhose von Paul Bauer (1896-1990)
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War schon (fast) auf dem Kangchendzönga: Die lange Unterhose von Paul Bauer (1896-1990)

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Im Museumsdepot: Darum soll niemand die Berg-Unterhose sehen

Im Museumsdepot: Darum soll niemand die Berg-Unterhose sehen

Bergsport-Geschichte erforschen und erzählen: Dafür gibt's das Alpine Museum München. Im Depot liegt dort auch eine lange Unterhose, die 1929 auf einer Himalaja-Expedition getragen wurde. Einfach so zeigen möchte das Museum diese Wollhose aber nicht.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Kulturleben am .

Das Depot des Alpinen Museums (Externer Link), irgendwo im Münchner Umland: Der Standort ist geheim, die Archiv-Schätze sind wertvoll. Kurator Max Wagner zeigt uns alte Eispickel und bollige Lederschuhe mit Eisenklammern an der Sohle, die "genagelten Schuhe". Feinsäuberlich in Schubladen liegt hier auch Unterwäsche – und sie ist fast 100 Jahre alt. Sie stammt von der ersten deutschen Himalaja-Expedition im Jahr 1929.

Weil sich die damalige Kolonialmacht Großbritannien den Mount Everest für sich reserviert hatte, blieb den Deutschen der dritthöchste Achttausender für den geplanten Sturm aufs "Dach der Welt". Protagonist dieses Unternehmens war Paul Bauer, Freiwilliger im Ersten Weltkrieg und später Alpinist, der die Bergsteigerei immer auch als deutschnationale Aufgabe verstand. Nach seinem Tod im Jahr 1990 ging seine Expeditionskleidung an den Deutschen Alpenverein über und damit an das Museum.

Ganz aus Wolle – und erstaunlich leicht

Eine blaugraue Hemdhose mit zwei Brusttaschen befindet sich darunter mit dem Firmenlogo vom Sporthaus Schuster, das damals führend in Sachen Ausrüstung war. Eine der Brusttaschen weist einen feinen, mit der Maschine genähten Riss auf. Sauber eingenäht ist der Name des Trägers, "Paul Bauer", damit es auf der Expedition keine Verwechslungen gab. Die Unterhosen sind grau mit Bündchen und nicht gerade "slim fit", aber erstaunlich leicht und aus reiner weicher Wolle, wie sie heute bei der Outdoor-Kleidung wieder groß in Mode ist.

In diesen Unterhosen also fror der damals 32-jährige Bauer wohl, als er vielleicht nachts in eisigen Höhen aus dem Zelt trat und den blanken Sternenhimmel über dem Himalaja betrachtete, voller Entschlossenheit, weil er mit seinem Gipfelsturm Deutschlands Ruhm in die Welt tragen wollte.

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Blick ins Depot: Das Alpine Museum in München erforscht und erzählt die Geschichte des Bergsports

Paul Bauer, Demokratiefeind und Rechtsextremist

Die Geschichte, die in dieser Langen Unterhose steckt, geht also weit hinaus über Fragen von Mode und Materialkunde. Und der Grund, warum die Lange Unterhose im Museumsdepot verborgen bleibt, liegt auch nicht darin, dass die Expedition damals auf der beachtlichen Höhe von 7.400 Meter, aber noch weit unter dem Gipfel endete, weil ein andauernder Sturm zur Umkehr zwang.

Vielmehr gehörte ihr Träger Paul Bauer zur extremen Rechten in der Weimarer Republik. In den Verwerfungen nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich der ehemalige Kriegsfreiwillige an der Niederschlagung der Räterepublik. Von ihm ist ein martialisches Motto überliefert: "Als wir das Gewehr aus der Hand geben mussten, tastete die verwaiste Hand nach dem Pickel". Die Bergsteigerei wurde für ihn zur Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Die Deutschen sollten die Ersten sein

In der Kangchendzönga-Expedition 1929 sah Bauer daher eine Möglichkeit, "den Wall, den wirtschaftliche Knechtung und die feindliche Hasspropaganda um Deutschland aufgerichtet hatte, niederzureißen, um deutschem Bergsteigertum in der Welt wieder Anerkennung zu verschaffen."

Konkret ging es dabei um den aus Breslau stammenden Geologen Günther Oskar Dyhrenfurth, der den 8.586 Meter hohen Kangchendzönga ebenfalls besteigen wollte, als Mitglied einer internationalen Expedition. "Dyhrenfurth war mit einer Jüdin verheiratet", sagt Kurator Max Wagner, "und Paul Bauer hat ihn eben als 'der Rasse nach Nichtdeutscher' bezeichnet und wollte ihm zuvorkommen." Der Bergsteiger Bauer: Ein Antisemit.

Diese Hose ist nicht einfach nur eine Hose

Während Dyhrenfurth 1933 seine Professur in Breslau aufgab und in die Schweiz auswanderte, trat Paul Bauer in die NSDAP ein. Im "Deutschen Reichsbund für Leibesübungen" betrieb er die Gleichschaltung der Bergsteigerei mit dem Nationalsozialismus. Alles Dinge, die nun auch zur Geschichte der Langen Unterhose gehören, sagt Kurator Max Wagner. "Wir können nicht einfach eine Hose von 1929 ausstellen und sagen: 'Hey, das war die Expeditionsausrüstung damals', ohne die Geschichte zu nennen, für die sie tatsächlich genutzt worden ist und die Ideologien, die damit konnotiert sind."

Lange Unterhose bleibt im Depot

Der überzeugte Nationalsozialist Paul Bauer befehligte im bald ausbrechenden Zweiten Weltkrieg ein Gebirgsjägerbataillon und wurde Kommandant der Heereshochgebirgsschule in Tirol. Nach allem, was bekannt ist, blieb seine Grundeinstellung auch nach 1945 dieselbe. Und so bleibt die nur vermeintlich unscheinbare Lange Unterhose im Depot.

Alle Folgen der Serie "Leichen im Keller" gibt es in der ARD-Audiothek zum nachhören.

Dieser Artikel ist erstmals am 04.05.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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