Am 21. Mai 1975 begann gegen die Köpfe der "Rote Armee Fraktion" in Stuttgart-Stammheim das erste große Gerichtsverfahren. Die Angeklagten: Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Die vier mussten sich wegen Mord in vier Fällen und versuchtem Mord in 54 Fällen verantworten. 192 Tage dauerte der Prozess und endete mit den Urteilen: lebenslange Haft. Die Terroristen kamen aus der ganzen Bundesrepublik – auch aus Bayern.
Historiker: Rolle Bayerns vor allem in der RAF-Frühphase groß
Besonders in der Anfangszeit der RAF, zwischen 1968 und 1972 etwa, spielte Bayern eine Rolle. Warum, erklärt Historiker und RAF-Experte Robert Wolff: "Es gibt ja diesen Mao-Spruch 'Wie der Fisch im Wasser bewegen'. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Fisch sein Wasser kennt", sagt Wolff. So erkläre sich auch, warum gerade Bayern am Anfang der RAF-Geschichte eine wichtige Rolle spielte - weil eben führende Akteure aus dem Freistaat kamen, dort Leute kannten und dann immer wieder auf diese Strukturen zurückgegriffen hätten, so der Historiker. Das sei vor allem während der sogenannten "ersten Generation" der RAF der Fall gewesen.
Andreas Baader – aufgewachsen in München
Der Kopf der RAF wurde in Bayern geboren: Andreas Baader kam 1943 in München zur Welt und lebte einige Jahre dort - wie seine Mutter, seine Tante und seine Großmutter - bis er 1963 nach West-Berlin zog. Ein Jahr lang besuchte er im unterfränkischen Bad Königshofen (Landkreis Rhön-Grabfeld) das Gymnasium und lebte dort im Internat.
Nach zahlreichen Brand- und Bombenanschlägen sowie Banküberfällen wurde Baader 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt - wegen vierfachen Mordes und vielfachen Mordversuchen. In der Nacht zum 18. Oktober 1977 begingen Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Gefängniszellen in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim Selbstmord. Ulrike Meinhof hatte schon 1976 in Untersuchungshaft Suizid begangen.
RAF-Gründungsmitglied aus dem unterfränkischen Ebern
Ingrid Schubert wuchs in Maroldsweisach im Landkreis Haßberge auf. Die Unterfränkin gehört zur Gründungs-Generation der RAF und war an Banküberfällen in Berlin beteiligt. Sie fuhr den Fluchtwagen.
Kurz nach den Raubzügen konnte sie verhaftet werden. Sie wurde zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, nahm sich aber 1977 in ihrer Zelle im Gefängnis München-Stadelheim das Leben.
Terroristin Sieglinde Hofmann: Jugend in Bad Königshofen
Eines der Verbrechen der RAF war die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Die RAF-Terroristin Sieglinde Hofmann war im unterfränkischen Bad Königshofen im Landkreis Rhön-Grabfeld aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie war ein Mitglied der "zweiten Generation" der RAF.
Hofmann war diejenige, die Schleyer nach seiner Entführung in Köln und der anschließenden Flucht ein Betäubungsmittel spritzte - in Bad Königshofen hatte sie eine Ausbildung zur Arzthelferin absolviert. Später wurde Schleyer ermordet, seine Leiche in einem Auto im Elsass gefunden.
1980 wurde Hofmann in Paris verhaftet und dann zunächst zu 15 Jahren und später noch einmal zu lebenslanger Haft verurteilt.
Rückkehr nach Bad Königshofen in Handschellen
Hofmann wurde Anfang der 1990er Jahre aus der Haft in Köln per Hubschrauber und in Handschellen nach Bad Königshofen geflogen - weil sie zu ihrer Mutter wollte, die in Bad Königshofen ins Juliusspital gekommen war.
Rund um das Spital waren Polizei- und GSG 9-Beamte postiert. Nach ein paar Stunden dort wurde sie zurück ins Gefängnis geflogen. Nach 19 Jahren in Haft kam sie auf Bewährung auf freien Fuß. Wo sie heute lebt, ist nicht bekannt.
"Mai-Offensive" 1972 und die Morde der dritten Generation
Im Zuge der sogenannten "Mai-Offensive" der RAF im Jahr 1972 gab es auch Bombenanschläge auf die Polizeidirektion Augsburg und das Landeskriminalamt München.
Später ermordete die "dritte Generation" der RAF den MTU-Chef Ernst Zimmermann in Gauting (Landkreis Starnberg) 1985 und den Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts in Straßlach (Landkreis München) 1986. Beide Morde sind noch immer ungeklärt.
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