Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Juni 1956 Die Wunderstute Halla trägt ihren verletzten Reiter Hans-Günther Winkler zu Olympiagold im Springreiten

Eine herrenlose Fuchs-Stute, gefunden1940 in den Wirren des Krieges an der Westfront, war ihre Mutter, der bekannte Traberhengst „Oberst“ ihr Vater. Sie selbst, Halla, wurde als Springreitpferd zum Mythos durch einen entscheidenden Umlauf über den Olympiaparcours von Stockholm. 1956. Autorin: Lydia von Freyberg

Stand: 17.06.2025

17.06.1956: Die Wunderstute Halla trägt ihren verletzten Reiter Hans-Günther Winkler zu Olympiagold im Springreiten

17 Juni

Dienstag, 17. Juni 2025

Autor(in): Lydia von Freiberg

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Frank Halbach

Denken wir doch mal an was Schönes, was fürs Herz. Legendäre Liebespaare zum Beispiel. Cäsar und Cleopatra vielleicht. Tristan und Isolde, klar. Romeo und Julia, eh. Und, ja: Hans-Günther und Halla. Ja, wirklich, die Geschichte von Hans-Günther, dem feschen Springreiter aus Wuppertal-Barmen und Halla, seiner hessischen Wunderstute hat alles, was die ganz großen Lovestories ausmacht, quasi 1a-Hollywood-Narrativ.

Die schwierige Prinzessin

Da ist ER, der schneidige Reitersmann mit einem Händchen bzw. Hintern für kapriziöse Pferde. Und SIE, die hochbeinige Stute ohne Stammbaum, geboren 1945 in Darmstadt. Ihre Mutter ist ein französisches Beutepferd aus dem 2. Weltkrieg, das auf den deutschen Namen Helene getauft wird, der Vater ein Traberhengst, er heißt Oberst. Die kleine Halla ist nicht besonders schön, dafür ungemein schwierig. Kein Reiter kommt mit ihr zurecht. Bis, ja, bis das Schicksal die rasante Braune zusammenführt mit dem aufstrebenden Horseman Hans-Günther Winkler. Nur er erkennt in Aschenputtel Halla seine Prinzessin, sie sei eine „Mischung aus Genie und irrer Ziege“, schwärmt er.

„Halla lacht“!

Stockholm, 17. Juni 1956, Entscheidung im olympischen Springreiten. Winkler ist schon zweifacher Weltmeister, jetzt ist der erste Olympiasieg in greifbarer Nähe. Doch -Katastrophe- Hans-Günther hat sich im ersten Umlauf verletzt, ein Muskelriss in der Leiste. Eigentlich unmöglich, die zweite entscheidende Runde zu reiten, die Schmerzen sind unmenschlich, die Hindernisse hoch und weit. Winkler reitet trotzdem ein. Er hat so viel Schmerzmittel intus, dass seine Teamkollegen ihn eben noch mit reichlich Kaffee dopen mussten, damit er nicht dösig vom Sattel rutscht. Hans-Günther ist nur noch Passagier. Halla muss es machen. 17 Sprünge.

Nach jedem sackt Winkler in sich zusammen, seine Schmerzensschreie hallen durchs Stadion. Sein Schicksal liegt allein in Hallas Hufen. Die Welt schaut auf sie, das Fernsehen überträgt: „Halla, was geht in dir treuem Pferd jetzt vor?“, rätselt der empathische Sportreporter mit dem märchenhaften Namen Hans-Heinrich Isenbart. „All unsere Wünsche, Hoffnungen und Gedanken sind bei Dir, wir springen mit Dir, spring Du in den Himmel…“ Und sie? Das uneheliche Pferdemädchen aus einfachen Verhältnissen? Der Underdog, das ewige Talent zwischen Genie und Wahnsinn? Halla macht das Ding, quasi im Alleingang. Doppel-Gold für Deutschland. Oder um mit den berühmten, hocherregten Worten von Pferdeflüsterer Isenbart zu raunen: „Und Halla lacht, Halla lacht noch immer, man hört es bis zu uns herauf, sie hat eine Ahnung, worum es sich hier handelt!“

Was für eine Story, was für ein Narrativ. Lerne: Unter so manch wackeligem Ritter galoppiert eine Wunderstute! Und überhaupt, sind wir nicht alle ein bisschen Halla? Ewige Talente, die, wenn der richtige Moment dann doch noch kommt, hinaufpreschen können in den Olymp? Und selbst für diejenigen, die schwächeln, bietet die Erzählung noch Empowerment: vielleicht begegnet ja auch Dir einmal im Leben eine Halla, eine, die Dich trägt, mühelos über die Hürden des Lebens.


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