Fünftausender in Nepal mit grandioser Aussicht Auf den Gipfel des Gokyo Ri
Wer einmal in Nepal war, der kommt immer wieder. Den Satz hört man oft. Und jetzt trifft er auch auf mich zu. Nach einer organisierten Reise vor einigen Jahren bin ich erneut zusammen mit meiner Partnerin Gundi in Nepal – wie damals wieder im Solu Khumbu, also im Everestgebiet. Aber diesmal sind wir als Individualreisende unterwegs, ohne Führer und ohne Träger. Diesmal ist der 5360 Meter hohe Gokyo Ri das Ziel.

Frieren in der Nacht
Unsere 16-tägige Trekkingtour beginnt in Lukla (2800m), das wir nach einem abenteuerlichen Flug und guter Ankunft auf der kurzen und leicht geneigten Landebahn erreichen. Schön, wieder hier zu sein! Die Luft in diesen Morgenstunden ist klar und kalt. Wir schultern unsere 13-kg-schweren Rucksäcke und schlendern den Weg Richtung Namche Bazar. Erst geht’s etwas bergab zum Dudh Koshi („Milchfluss“) und über Phakding nach Monjo. Erste Nacht, erstes Frieren. Eingepackt in Daunenjacke und Mütze verbringen wir den ersten Abend in der Mount Kailash Lodge. Eine saubere und gemütliche Unterkunft – vielleicht etwas „untertemperiert“ an diesem Abend. Aber dieses Gefühl werden wir nicht zum letzten Mal haben.
Linsengericht Dhal Bat am Abend
In Namche Bazar auf 3.400 Metern Höhe bleiben wir sogar drei Nächte – eine Nacht länger als geplant, weil ich schlapp bin und sogar Fieber bekomme. Wahrscheinlich hab ich auf unserem Akklimatisationstrip zum Everest-View-Hotel zu wenig getrunken. Ansonsten machen wir eigentlich alles richtig: Wir steigern unsere Schlafhöhen ganz moderat. Nach den drei Nächten in Namche Bazar folgen Nächte in Khumjung, knapp 3..800 Meter, Phortse, etwas über 3.800 Meter, Dole 4.100 Meter, Machermo 4.400m Meter. Kein Kopfweh, nur die Kälte in den Lodges zehrt Energie aus dem Körper. In den Unterkünften brennt meist nur für einige Stunden am Abend ein Ofen in der Mitte des Gastraums. In den Zimmern sieht man den eigenen Atem, so kalt ist es. Wir trinken viel Tee und gehen stets früh schlafen. Mit Mütze und Buff liegen wir in unseren guten Daunenschlafsäcken, die wir bis unter die Nase zu machen. In Dole ensind wir in der empfehlenswerten Alpine Cottage Lodge. Die Besitzerin erzählt uns, dass sie vor einigen Jahren für zwei Sommer auf der Lamsenjochhütte im Karwendelgebirge gearbeitet hat. Sie weiß also, wie man Speckknödelsuppe macht. Wir genießen das Linsengericht Dhal Bat und Sherpa Stew, ein kräftiger Gemüseeintopf.
„Wo geht’s hier zum Urlaub?“
Wir haben nirgends vorreserviert, wollten komplett unabhängig sein. Letztlich bekommen wir auch überall problemlos ein Zimmer. Für das Doppelzimmer in einer Lodge zahlen wir umgerechnet etwa 4 Euro die Nacht. Fast das Doppelte kostet die Kanne Tee – die ist damit also vergleichsweise teuer. Und wir trinken viel. Ginger tea, lemon tea, mint tea – Hauptsache es endet auf „tea“. Bier oder Alkohol ist für uns 16 Tage lang tabu. Egal wo man in den Lodges am Abend hinhört – an den Tischen der Trekker geht es meistens um die Höhenverträglichkeit und um die Gesundheit. Keine Lodge, wo nicht irgendjemand etwas über Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Problemen zu erzählen weiß. Wir halten uns gut – abgesehen vom Husten. Aber der gehört wohl dazu. In Gokyo auf knapp 4800 Metern legen wir einen Ruhetag ein, gehen auf die Seitenmoräne des Ngozumpa-Gletschers und schlendern zur Hälfte um den grünlich schimmernden Gokyo-See. Die Landschaft ist atemberaubend schön. Die kalten Abende und Nächte machen vor allem Gundi zu schaffen. Einmal, nach einem Hustenfall, sah sie mich verfroren an und fragte: „Und wo geht’s jetzt hier zum Urlaub?“
Schnaufen wie ein Esel …
Am elften Tag unserer Trekkingtour verlassen wir Gokyo um kurz nach halb sieben. Der Gipfelanstieg steht bevor. Wir steigen die paar Meter runter zum See, balancieren an dessen Nordseite über platte Steine im Wasser, um auf der anderen Seite die etwa 550 Höhenmeter zum Gipfel anzugehen. Schön, endlich mal nur einen kleinen Tagesrucksack am Buckel zu haben! Langsam steigen wir nach oben. Die Luft ist dünn, wir sprechen kaum, jeder konzentriert sich auf seinen Gehrhythmus, auf eine möglichst gleichmäßige Atmung.
Es ist nur ein staubiger Wanderpfad auf einen so unscheinbar wirkenden Hügel. Aber die Sicht wird im Laufe des Anstiegs immer besser. Nach und nach erkennen wir beim Blick über die Schulter den Lhotse (8.516 m), dann den Everest (8.848 m), schließlich kommt auch die pyramidenförmige Spitze des Makalu (8.481 m) zum Vorschein. Vorbei an etlichen Steinmännchen nähern wir uns dem Gipfel. Wir sind bestimmt ganz gut akklimatisiert aber die Luft ist verdammt dünn hier oben. Zwei, drei schnellere Schritte und man kämpft schon mit der Sauerstoffschuld. Auch beim Fotografieren merke ich e: Um die Fotos nicht zu verwackeln, halte ich oft den Atem an, vor allem wenn der Zoom verwendet wird. Unmittelbar danach schnaufe ich dann wie ein Esel.
Vier Achttausender im Blick
Um 9:18 Uhr erreichen wir den 5.360 Meter hohen Gokyo Ri. Schon ein paar Minuten vorher wusste ich: Diese Aussicht schlägt alles, was ich bisher gesehen habe. Es ist eine emotionale Ankunft. Gundi und ich schauen uns an, nehmen uns in den Arm und lächeln vor Glück. Unter uns schimmern die Gokyo-Seen, daneben liegt der von Geröll bedeckte Ngozumpa-Gletscher. Darüber sehen wir den Everest, den Lhotse, den Makalu, weiter links den schneeweißen Cho Oyu. Vier Achttausender auf einen Schlag – eine Pracht. So gewaltig! Dazwischen jede Menge Sechstausender wie zum Beispiel Nuptse, Cholatse und Tabuche. Eine Gruppe von Chinesen kriegt sich gar nicht mehr ein. Die Frauen heulen laut vor Glück. Zuerst dachte ich an einen Notfall. Es dauert eine Zeitlang bis wir realisieren, dass sie nicht aus Leid, sondern vor lauter Glück weinen. Zwei Stunden lang bleiben wir am Gipfel.
Pures Glück
Es waren zwei herausragende Stunden auf dem Gokyo Ri, die wir nie vergessen werden. Ja, die ganze Trekkingtour war anstrengend und es war kalt. Und es ist auch nicht zu unterschätzen, seinen Rucksack auf solche Höhen selbst zu schleppen, also auf einen Träger zu verzichten. Und trotzdem war es unbeschreiblich schön und am Gipfel sogar das pure Glück. Nepal, ich komme wieder…
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Karte: Der Gokyo Ri