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Teilenswert? Kanyes Hitler-Song zeigt, warum wir digitale Plattformen strenger kontrollieren sollten

In Social Media wird gerade ein Song von Kanye West verbreitet, in dem der Nazi-Gruß und eine Rede von Adolf Hitler vorkommt. Ein gutes Beispiel dafür, dass man die Sicht auf die Sozialen Medien grundsätzlich ändern muss. Dota Kehr und Marc-Uwe Kling haben dazu einen Vorschlag.

Von: Moritz Jelting

Stand: 21.05.2025

Photo of Artist Kanye West looks on in the Oval Office of the White House during a meeting with President Trump to discuss criminal justice system and prison reform on October 11, 2018 in Washington, DC. | Bild: picture alliance / abaca | Douliery Olivier/ABACA

Das Cover ein Hakenkreuz, der Nazi-Gruß im Refrain und im Outro läuft eine Rede von Adolf Hitler höchstpersönlich. Was wie eine Blaupause für einen möglichst provokanten Song einer Rechtsrock-Band klingt, ist in Wirklichkeit die neueste Single von Ye, der früher als Kanye West ein Superstar der Hip-Hop Szene war. Und diesen Hitler-Song kann man sich ganz normal auf der Plattform X anschauen – zumindest außerhalb Deutschlands – wo er auch schon mehrere Millionen Aufrufe hat. 

"N***** see my twitter, but they don’t see how I be feelin’. So I became a Nazi – yeah, bitch, I’m the villain."

Kanye Ye West in seinem Song

Nicht einmal ein Hitler-Song ist schlechte Publicity für Kanye West

Auf Spotify und Youtube wurde der Song gesperrt, jedoch gibt es Videos von Jugendlichen, die auf den Song reagieren und dazu teilweise sogar den Hitlergruß zeigen. Man kann den Song als künstlerische Übertreibung sehen, mit der Ye seinen Kommentar auf die sogenannte Cancel Culture unterstreichen will – vor allem ist es aber der zwischenzeitliche Höhepunkt einer Provokationsspirale, die jegliche Grenzen sprengt. 

Und das Schlimmste dabei: Es funktioniert. Ye bekommt Aufmerksamkeit und verdient damit Geld. Und auch die Social-Media-Plattformen verdienen mit. Denn der erhöhte Traffic auf den Seiten sorgt dafür, dass sie ihre Werbeanzeigen besser verkaufen können. Doch für die Inhalte haften müssen sie nicht. 

I'm just the Messenger

Soziale Medien werden nämlich trotz des Namens nicht genauso wie andere Medien behandelt. Der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Martin Andree beschäftigt sich mit der Dominanz der Tech-Konzerne. Dass nicht nur Ye durch "Schockwellen der Aufmerksamkeit" mit seinem Heil-Hitler-Song Geld verdient, sondern auch die Plattformen selbst, ist laut Martin Andree "fast der Wahnsinn". Weiter führt er im Interview aus: "Wo jemand Geld mit etwas verdient, da muss er auch die Haftung übernehmen". Bisher gelten Facebook, Instagram und Konsorten nämlich eher als eine Art Telefonnetzwerk, die die Nachrichten nur übermitteln und nicht als eigenständigs Medium. Da sie aber wie Fernsehen, Radio oder Zeitungen mit ihren Anzeigen Geld verdienen, sollten sie laut Martin Andree auch dementsprechend behandelt werden.

Eine bereits vorhandene Richtlinie der EU geht nicht weit genug

Mit dem Digital Services Act hat die europäische Union bereits letztes Jahr ein Gesetz verabschiedet, das ein sicheres und gerechteres Online-Ökosystem schaffen soll. Darin werden Online-Plattformen, die eine gewisse Größe erreicht haben, verpflichtet, illegale Inhalte zu entfernen. Diese Richtlinien gehen aber nicht weit genug, kritisiert Medienwissenschaftler Andree, die Richtlinie würde lediglich einen zweiten Bewertungsstandard einführen. Ein Standard, der nicht durch deutsches Recht gedeckt ist. Im Gesetz heißt es zum Beispiel, dass "systemische Risiken unterbunden werden sollen". Das bewertet Andree als viel zu vage und dies führe auch dazu, dass Plattformen Inhalte löschen würden, die eigentlich erlaubt wären. 

"Wir haben als Land enschieden, dass wir Heil Hitler nicht haben wollen und das strafbar ist. Und wenn Plattformen mit strafbaren Inhalten Geld verdienen, dann müssen sie haften. Dadurch haben wir eine viel einfachere und elegantere Lösung als den Digital Services Act."

- Medienwissenschaftler Dr. Martin Andree über die Haftung der Social Media Unternehmen

Künstler*innen wollen sich selbst helfen

Dota Kehr ist Gründungsmitglied bei teilenswert

Einige deutsche Künstler*innen stellen sich nun gegen die digitalen Plattformen. Mit dabei ist auch die Singer-Songwriterin Dota Kehr, die sich auch in ihrer Musik immer wieder kritisch mit Netzthemen auseinandersetzt. Sie hat den Verein Teilenswert mit ins Leben gerufen. Im Interview erzählt Kehr, dass sie sich schon lange mit Marc-Uwe Kling, dem Autor der Känguruh-Chroniken, über diese Themen diskutiere.

Das Problem mit der Haftung der Social-Media-Plattformen hat der Verein mit auf dem Radar. Sie haben mit anderen Künstler*innen, Journalist*innen und Gewerkschaften im Februar die "Save Social"-Petition gestartet, mit der man die Unternehmen hinter den Sozialen Medien zur Verantwortung ziehen will. Dabei sollen die sozialen Medien "nicht abgeschafft oder zensiert", sondern als "demokratische Kraft gerettet werden", sagt Dota Kehr. Im Gegensatz zu den anderen Krisen der Zeit wie der Verteilung von Wohlstand oder dem Klimawandel, sei laut Kehr die Regulation von Social Media noch "leicht machbar". Die Petition wird von Gewerkschaften, Medienwissenschaftler*innen und Journalist*innen unterstützt und hat über 260.000 Unterschriften. 

Der Verein Teilenswert will Aktivismus für Künstler*innen erleichtern 

Der Verein Teilenswert ev will Aktivismus für Künstler*innen erleichtern

Der Impuls für die Gründung von teilenswert war aber ein anderer. Mitarbeiter*innen sollen Fact Checking und Filtern von Informationen übernehmen, sie dann redaktionell auf- und über einen Newsletter für Aktivisti*innen weiterverbreiten. Also genau das, was Social Media nicht macht. "Es sind vielleicht viele Leute, die das Gefühl haben, ich habe Reichweite und ich habe auch mit der Reichweite eine gewisse Verantwortung", zählt Dota Kehr als Gründe auf, warum man diesen Dienst brauche. Denn es gäbe durchaus "eine gewisse Verantwortung, nicht zu allen politischen Themen die Klappe zu halten." Es könne dabei jeder, der mitmachen will und eine gewisse Reichweite hat, mitmachen. Ein weiterer wichtiger Punkt sei dabei auch für teilenswert nicht nur negative, sondern auch positive Fakten in die Welt zu tragen. 

Mehr Haftung gleich weniger Kanye?

In einer Welt, in der die großen Social-Media-Plattformen die Haftung für ihre Inhalte übernehmen, wird es trotzdem noch unsägliche Provokationen wie die von Kanye West geben. Aber es wird schwieriger sie zu verbreiten. Und das wäre doch eine gute Nachricht - außer für Ye.

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